Puppentheater und Puppenspiel in der Erziehung

Vom Puppentheater nimmt man oft an, dass es nur eine Erziehungseinrichtung sei, da die Mehrheit des Publikums Kinder sind. Aber kein Theater und so auch nicht das Puppentheater, hat sich vordergründig erzieherischen Zwecken unterzuordnen.

Die Autonomie des Theaters. Das Theater möchte ein "Bühnenerlebnis" vermitteln. Dieses Erlebnis hat mit Illusion, mit "Tun als ob", mit Verwandlung zu tun. Durch die sprechenden und handelnden Personen und durch seine Optik, beeinflusst das Theater den Zuschauer, spricht sein Gefühl, seinen Verstand und seine optische Erlebniswelt an. Ein Theaterstück kann Orientierungshilfe für das Verhalten des einzelnen im wirklichen Leben bieten. Es macht Aussagen, spricht Themen an und verkündet Ideen. Es ist Forum öffentlicher Diskussion.

Wenn man darin ein Element der Erziehung im weitesten Sinn sehen will, dann ist alles Theater erzieherisch.

Kinder und Theater. Meistens ist die erste Berührung des Kindes mit Theater ein Besuch im Puppentheater. Die Kinder haben das gleiche Recht wie die Erwachsenen, im Puppentheater nicht in erster Linie erzogen zu werden, sondern auf lustvolle Art über die Welt zu erfahren, in die sie hineinwachsen. Es geht um das Theater an sich, um eine kontinuierliche Erziehung, eine Vorbereitung auf das "Theater", denn es vereint viele Künste: Bewegung, Farben, Formen, Musik und Sprache.

Warum Puppentheater für Kinder? Keine andere Kunst findet so leichten Zugang zum Kind, wie das Puppentheater. Die Puppe ist kleiner als das Kind - das Kind wird nie einen Erwachsenen dahinter spüren. Die Figur (der Kasper, der Igel, der Bär...usw) selbst spricht mit ihm. Zwischen Puppe und Kind entwickelt sich eine starke, lebendige, körperlich-seelische Empfindung. Der schöpferische Prozess - jeder Theateraufführung entsteht in Anwesenheit des Kindes und verlangt die ergänzende Mitarbeit seiner Phantasie. Poesie, Musik, Tanz - sie können beim Kind zu Keimen aufgehen und der Kunst beim Heranwachsenden einen Platz sichern. Zur Schaffung einer interaktiven Theaterbasis ist die Ansprache von Kindern und Jugendlichen erforderlich. Puppentheater im Dienste der Erziehung. Das Puppentheater kann ein wirksames Mittel im Dienst einzelner Erziehungsaufgaben sein. Puppen und Figuren sind ideale Kommunikationsbrücken für die Vermittlung, Vertiefung und eine aktive Erfahrung von Lerninhalten. Die bei den Kindern beliebten Figuren geben ihnen Anweisungen z.B. über lebensrettendes Verhalten im Verkehr, zum pflegenden Umgang mit ihren Zähnen, Angstlösung vor Krankenhausaufhalt, Akzeptanz gegenüber Fremden...usw. Im Sprach- und Fremdsprachen-Unterricht bewährt sich die Puppe als "neutraler" Ansprechpartner. Besonders beim Erlernen einer Landessprache durch fremdsprachige Kinder.

Puppentheater und Kunsterziehung. Der hohe bildnerische Anteil des Puppentheaters fordert die gestaltende und konstruktive Phantasie der Schüler und fördert ihr optisches Erleben. Die Herstellung der Spielelemente geht über kreatives Erkunden von Materialien, von Form, von Gestalt und Wirkung. Es hilft dem Kunsterzieher die Individualität des Schülers zu erkennen und zu fördern, und in seine Umwelt einzuordnen. Formale Probleme verlangen eine Beschäftigung mit visuellen Künsten und der Ästhetik, die in der Erziehung eine entscheidende Rolle spielt. Dient sie doch nach Herbert Read unter anderem zur Erhaltung der natürlichen Intensität von Wahrnehmung und Empfindung, sowie zur Koordination der verschiedenen Arten miteinander und mit der Umwelt.

Das Kind als Puppenspieler. Seine Leistung ist die gleiche wie beim Spielen einer Rolle als Schauspieler, nur schlüpft das Kind in eine äußerlich vorgegebene Gestalt, die es zu beleben gilt - durch einfühlsames Bewegen und durch die Sprache. Die Spielbereitschaft der Kinder ist im Figurenspiel weit größer. Theaterpuppen locken zum Spiel, weil sie schon zur Hälfte "Rolle" sind. Sie erleichtern das Hineinschlüpfen in eine fremde Identität, weil sie sich aus einem Versteck (der Spieler ist meist für den Zuschauer unsichtbar) heraus zeigen. Theaterpuppen bieten dem Kind das Vergnügen, nicht nur eine, sondern mehrere Rollen spielen zu können. Den Guten, den Bösen, ..usw., deshalb entsteht kein Konkurrenzdenken beim Rollenverteilen, daher eine höhere Kooperationsbereitschaft in der Gruppe und ein gemeinsames Erfolgserlebnis für mehrere Kinder.

Wir wissen heute, dass frühe Begegnung mit Kunst das spätere Kunstverständnis entscheidend beeinflusst. Bei einer fehlenden Begegnung mit Kunst wird auch das Kunstverhalten des Kindes nicht ausgeprägt.

Das Bedürfnis der Eltern, ihren Kindern niveauvolles, professionelles Theater zu zeigen, ist groß.

Durch das Puppentheater würde man eine Initiative fördern, die für Kinder den Zugang zur Welt des Theaters ermöglichen kann.

von Traude Kossatz